Arbeitszeit in Arztpraxen

Diese vertraglichen Bestimmungen sollten Ärzte kennen

Für angestellte Ärztinnen bzw. Ärzte und weiteres Fachpersonal in Arztpraxen zählen die Regelungen zur Arbeitszeit zu den wichtigsten Bestimmungen im Arbeitsvertrag. Und hier entzünden sich in der Praxis die häufigsten arbeitsrechtlichen Konflikte. Damit Sie als ärztliche Arbeitgeber:in auf dem neuesten Stand sind, erläutert Gabriele Leucht, Fachanwältin für Medizinrecht und Fachanwältin für Arbeitsrecht, in diesem Beitrag, auf welche Bestimmungen Sie beim Thema Arbeitszeit in Arztpraxen achten müssen und welche juristischen Fallstricke lauern.

Arbeitszeit in Arztpraxen – darum kommt es trotz festgelegter Stundenzahl zu Konflikten

Der Alltag in medizinischen Berufen ist stark von unregelmäßigen Herausforderungen geprägt, dies gilt insbesondere für angestellte Ärzt:innen. Denn wenn es um das Wohl des Patienten geht, achten viele Mediziner:innen nicht streng auf Dienstplan oder Arbeitszeiten. So werden etwa durch Mehrarbeit schnell Überstunden aufgebaut. Oder zu lange Dienstzeiten verletzen die geltenden Arbeitszeitgesetze. Hier wandelt die ärztliche Arbeitgeber:in immer auf einem schmalen Grat. Konflikte sind vorprogrammiert.

Gesetze, die bezüglich der Arbeitszeit in Arztpraxen zu beachten sind

Eindeutig definiert ist die Arbeitszeit im Arbeitszeitgesetz. Arbeitszeit ist der Zeitraum vom Beginn bis zum Ende der Arbeit – ohne Ruhepausen. Nach dem Arbeitszeitgesetz darf eine angestellte Ärztin oder ein angestellter Arzt bis zu acht Stunden am Tag arbeiten und dies an sechs Tagen in der Woche. Insgesamt also 48 Stunden pro Woche.

Arbeitszeiten in Arztpraxen – Sonderfälle

Bereitschaftsdienst

Beim Bereitschaftsdienst muss sich eine Ärztin bzw. ein Arzt für einen festgelegten Zeitraum entweder direkt am Arbeitsort oder nahe am Arbeitsort aufhalten. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden: Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit. Und das bedeutet: Bereitschaftsdienst ist auch als Arbeitszeit zu vergüten.

Abend- und Nachtdienste

Abend- und Nachtdienst sind Arbeitszeit und vom Arbeitgeber entsprechend zu vergüten.

Rufbereitschaft

Bei der Rufbereitschaft sieht die Lage anders aus. Hierbei bleibt es der Ärztin bzw. dem Arzt überlassen, wo er sich während der Rufbereitschaft aufhält. Einzige Anforderung: Er muss erreichbar sein und innerhalb von am Arbeitsort sein.

Die Rufbereitschaftszeit stellt demnach keine Arbeitszeit dar. Sie gilt als Ruhezeit (nicht als Ruhepause!). Erst wenn die Ärztin oder Arzt tatsächlich zum Einsatz gerufen wird und ein Einsatz erfolgt, ist dies Arbeitszeit – und dann als solche zu vergüten.

  • Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, die Arbeitszeit bzw. Ruhezeit so zu gestalten, dass tatsächlich Rufbereitschaft vorliegt. Auch hier spielt die Rechtsprechung des EuGH eine wichtige Rolle. Diese besagt, dass stets eine Gesamtabwägung der Umstände stattfinden muss. Folgende Fragen sind dabei zu berücksichtigen:
  • Was für eine Anwesenheits- bzw. Abwesenheitsverpflichtung besteht?
  • Sind die persönlichen und sozialen Interessen der Arbeitnehmer:in innerhalb der Rufbereitschaft stark eingeschränkt?
  • Wie schnell muss die Einsatzbereitschaft hergestellt sein, also die tatsächliche Arbeit aufgenommen werden?
  • Wie häufig finden innerhalb der Rufbereitschaft die Einsätze statt? Wie oft wird die Arbeitnehmer:in in der Rufbereitschaft zum Dienst eingesetzt? Wie viel Zeit nimmt dies in Anspruch?

Arbeitszeiten in Arztpraxen – was zählt alles dazu?

Zur Arbeitszeit bei Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Fachpersonal zählen auch die Umkleidezeiten. Das Bundesarbeitsgericht hat festgelegt, dass Umkleidezeit immer dann als Arbeitszeit gilt, wenn eine berufsspezifische Arbeitskleidung gilt, die erst am Arbeitsort, also in der Praxis, angezogen wird.

Arbeitszeiten in Arztpraxen – Unterschiede nach medizinischen Facharztgruppen und ärztlicher Betriebsform

Hier muss der ärztliche Arbeitgeber immer auf den Einzelfall achten. Wenn zum Beispiel ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) den KV-Bereitschaftsdienst stellen muss, ist es durchaus möglich, dass der beim MVZ angestellte Arzt auch am Wochenende arbeiten muss. Das gilt auch dann, wenn die Sprechstunden und Arbeitszeiten dieses Arztes normalerweise von Montag bis Freitag liegen. Regeln Sie diese besonderen Situationen wie Wochenend-, Spät- oder Nachtdienste transparent auf jeden Fall zu Beginn des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag.

Teilzeitarbeit in der Arztpraxis – welche Möglichkeiten gibt es?

In Zeiten neuer Arbeitszeitmodelle gewinnt auch die Teilzeitarbeit für Beschäftigte in Arztpraxen immer mehr an Bedeutung. Hierbei rücken Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die vor allem für jüngere Menschen stets wichtigere Work-Life-Balance in den Mittelpunkt.

Teilzeitarbeit ist auch für angestellte Ärztinnen und Ärzte und anderes medizinische Fachpersonal möglich und muss über den Arbeitsvertrag verbindlich geregelt werden.

Arbeitnehmer:innen haben – unter bestimmten Voraussetzungen – einen im Teilzeit- und Befristungsgesetz verankerten Anspruch auf zeitlich unbegrenzte Teilzeitarbeit und seit 1. Januar 2019 auch auf eine zeitlich befristete Teilzeitarbeit (die sog. Brückenteilzeit). Diesen Anspruch auf Teilzeit dürfen ärztliche Arbeitgeber nur beschnitten werden, wenn sie dringende betriebliche Gründe darlegen, die gegen Teilzeit sprechen.

Der Anspruch auf Teilzeit entsteht unter folgenden Voraussetzungen:

  • Das Arbeitsverhältnis muss bereits sechs Monate bestanden haben
  • Der Arbeitgeber muss mehr als 15 Mitarbeiter:innen beschäftigen

Für die sog. Brückenteilzeit gelten weitere Voraussetzungen:

  • Eine Befristung muss mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre betragen
  • Es müssen 45 Arbeitnehmer:innen im Betrieb beschäftigt sein

Außerdem müssen beide Seiten diverse Fristen beachten, damit einerseits die Befristung zum gewünschten Zeitpunkt angetreten werden kann (Antragsfrist Arbeitnehmerseite), und andererseits die Befristung nicht automatisch eintritt (Genehmigungsfrist Arbeitgeberseite).

Außerdem darf das Befristungsverlangen und Änderungen daran nur gestellt werden, wenn seit der letzten Befristung zwei Jahre vergangen sind.

Voraussetzungen für die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft

Um eine BAG gründen zu können, müssen die Beteiligten bereits Fachärzt:in sein. Darüber hinaus müssen sie den Willen haben, die folgenden Punkte gemeinsam zu erfüllen:

  • gemeinsame Patient:innenbehandlung
  • Außenankündigung der BAG (Praxisschild)
  • Abrechnung und Dokumentation der erbrachten Leistungen durch die Gemeinschaft
  • Haftung der Gemeinschaft im Außenverhältnis
  • Beteiligung aller Ärzt:innen an unternehmerischen Risiken und Chancen
  • gemeinsames Personal
  • gemeinsame Räume und Praxiseinrichtung


Unter dem Dach einer BAG können sich beliebig viele gleiche, verwandte und unterschiedliche fachärztliche Richtungen vereinen. Es gibt keine Reglementierung bezüglich der Anzahl. BAGs können wie Unternehmen mit einem Management an der Spitze geführt werden. Sie können aber auch gemeinschaftlich geleitet werden.

Praxisgemeinschaft und Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) – was sind die Unterschiede zur BAG?

Eine Praxisgemeinschaft beschränkt die Gemeinschaft der beteiligten Ärzt:innen lediglich auf organisatorische Maßnahmen. Dazu zählen etwa die gemeinschaftliche Nutzung von Praxisräumen oder Praxispersonal. In allen anderen Bereichen – vor allem bei der Abrechnung der erbrachten medizinischen Leistungen – handeln die einzelnen Praxen getrennt voneinander. Die Praxisgemeinschaft ist vergleichbar mit einer Bürogemeinschaft.

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) hat einen eigenen Teilnahmestatus an der kassenärztlichen Versorgung. Neben den im MVZ tätigen Ärzt:innen hat das MVZ eine eigene Zulassung. Ein Vorteil des MVZ ist, dass der/die ärztliche Leiter:in selbst nicht ärztlich tätig sein muss. Vielmehr kann das MVZ nur mit Angestellten geführt werden. Die Anzahl ist nicht beschränkt. Außerdem ist beim MVZ die Rechtsform der GmbH möglich.

Eine BAG kann entweder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als Partnerschaftsgesellschaft (PartG) geführt werden. So funktioniert die Praxisgründung

Ich empfehle, Arbeitszeiten so flexibel wie möglich im Arbeitsvertrag zu regeln. Zeigen Sie im Arbeitsvertrag ein realistisches Bild der Arbeitszeiten auf. Insbesondere in Zeiten von personellen Engpässen halte ich es für eine gute Idee, angestellten Ärzten bei der Übernahme von Extra-Schichten eine zusätzliche Vergütung zu gewähren und damit Leistungsanreize zu schaffen.

— Gabriele Leucht, Fachanwältin für Medizinrecht

Google Maps inaktiv

Aufgrund Ihrer Cookie-Einstellungen kann dieses Modul nicht geladen werden.
Wenn Sie dieses Modul sehen möchten, passen Sie bitte Ihre Cookie-Einstellungen entsprechend an.

Jetzt Kontakt aufnehmen!

Sie brauchen Hilfe? Dann rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns direkt eine E-Mail.