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Pflicht zur Zeiterfassung

10. Juli 2019 | von Gabriele Leucht

EUGH Urteil in der Rechtssache C-55/18 vom 14.05.2019

Selten hat ein EUGH Urteil so eine mediale Aufmerksamkeit erzeugt.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit effektiv gemessen werden kann. Das Grundrecht jedes Arbeitnehmers auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten müsse eingehalten werden. Ohne ein System zur Messung der täglichen Arbeitszeit könnten weder die geleisteten Stunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden, so die europäischen Richter.

Dieses Urteil ist durchaus überraschend, da von vielen Experten die flexible Vertrauensarbeitszeit als das Zukunftsmodel angesehen wurde und die sog. Stechuhr als ein Produkt der Vergangenheit betrachtet wurde. Der EuGH hat nun aber den Schutz der Arbeitnehmer als vorrangig angesehen. Unternehmen müssen sich an die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes halten. Eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden darf im Durchschnitt innerhalb eines Bezugszeitraums nicht überschritten werden. Zudem gilt im Regelfall eine tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag. Eine durchgehende Ruhezeit von 11 Stunden pro Tag muss gewahrt werden. An diesen Grundsätzen hat das Urteil des EuGHs nichts geändert. Bereits vor der Entscheidung war die flexible Arbeitszeit daher nur bedingt mit dem Arbeitszeitgesetz und der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar. Die Vertrauensarbeitszeit dürfte auch mit dem EuGH-Urteil vereinbar sein, allerdings hält der EUGH nun aber einzig eine systematische Erfassung der Arbeitszeit für geeeignet dieses sicherzustellen.

Das Urteil wird in Unternehmen, z.B. in Arztpraxen oder Krankenhäusern, in denen eine umfassende Zeiterfassung bisher nicht systematisch durchgeführt wurde, zu einem administrativen und kostenintensiven Mehraufwand führen. Unbezahlte Überstunden werden durch die erforderliche lückenlose Dokumentation der Arbeits- und Abwesenheitszeiten voraussichtlich hinfällig.

Die größte Frage ist, wie die Arbeitszeit rechtssicher dokumentiert werden könne. Denn es muss sichergestellt werden, dass die vorgesehenen Arbeitszeiten eingehalten werden. Das bedeutet, dass es nicht mehr ausreicht, nur die Zeiten aufzeichnen zu lassen, welche acht Stunden überschreiten, sondern die Arbeitgeber sind nun verpflichtet, die Arbeitszeiten von Arbeitnehmern systematisch und genau zu erfassen. Zwar wird die alte Stechuhr (voraussichtlich) nicht zurückkommen, aber Arbeitgeber müssen sich nun darauf einstellen, zum Beispiel moderne elektronische Zeiterfassungssysteme einzuführen, welche nicht nur das Ankommen am Arbeitsplatz und das Verlassen zu Feierabend misst, sondern auch die Zeiten für Pausen und Abwesenheiten umfassen kann.